Die schwache Wechselwirkung - Die Paritätsverletzung
Eine weitere Eigenschaft
der schwachen Wechselwirkung unterscheidet sie deutlich von der starken und elektromagnetischen
Wechselwirkung:
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Schwache Prozesse verletzen die sogenannte Raumspiegelungs- Symmetrie (Raumumkehrsymmetrie bzw. Parität).
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1924 begründete der Physiker Wigner die Tatsache,
dass ein Atom mindestens zwei Anregungszustände besitzt, mit der Invarianz
der beschreibenden Wellenfunktion
Y
bezüglich
der sogenannten Raumumkehr (Paritätsoperation).
Was bewirkt die Paritätsoperation bzw. Raumumkehr?
Bei
der Paritätsoperation wechseln alle Koordinaten
ihr Vorzeichen. Das entspricht geometrisch einer Punktspiegelung
am Ursprung.
Ein Punkt mit den
Koordinaten (x, y, z) wird zu (-x, -y, -z). Geschwindigkeits-
und Impulsvektoren drehen sich um.
Der Windungssinn einer Schraube, die
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sog. Helizität,
dreht sich um. Aus einer Rechts- wird eine Linksschraube.
Allgemein:
Polare Vektoren (üblicherweise nur
als Vektoren bezeichnet) ändern ihr Vorzeichen.
Manche Größen (r, p und L bezeichnen Vektoren!)
bleiben aber auch gleich, z.B. der Drehimpuls
L = r x
p. Er ist das
Vektorprodukt des Orts- und Impulsvektors (r und p). Da r und p ihre Vorzeichen
ändern, bleibt das Produkt gleich. Der Drehimpulsvektor bleibt also
unter der Paritätsoperation unverändert. Da der Spin
eines Teilchens als Eigendrehimpuls interpretiert werden kann, bleibt auch
er unverändert.
Allgemein:
Axiale Vektoren bleiben unverändert.
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In der Physik galt bis 1956 folgendes Prinzip
(Paritätsinvarianz):
Naturgesetze
sind bezüglich der Paritätsoperation invariant.
Das
bedeutet, dass ein physikalischer Prozess auch dann gleich bleibt, wenn
die Paritätsoperation durchgeführt wird, d.h der raumgespiegelte
Prozess betrachtet wird. Man sollte also einen
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Prozess von seinem raumgespiegelten "Partner" nicht unterscheiden können. Für
die elektromagnetische und starke WW gilt die Paritätsinvarianz. Folgendes
Experiment von Wu, Ambler, Hayward, Hoppes und Hudson aus dem Jahr 1957
zerstörte allerdings den Glauben der Physiker an die Paritätsinvarianz bei
der schwachen Wechselwirkung
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Das
Experiment von Wu et al.:
Kobalt-60 (60Co)
ist ein b--Strahler,
er emittiert also Elektronen. Aus der Paritätsinvarianz folgt, dass
die Zählrate für emittierte Elektronen in eine Richtung parallel
zum Kernspin genauso groß sein sollte, wie die in die entgegengesetzte.
In rechter Abbildung ist das Prinzip des Experiments dargestellt, die 60Co-Probe
ist polarisiert.
zu
1.:
Die Kernspins (J)
sind nach oben ausgerichtet. Der Zähler
registriert die emittierten Elektronen mit dem Impuls pElektron.
Nun wird die Paritätsoperation durchgeführt.
Die raumgespiegelte Situation zeigt die 2.
Skizze.
zu 2.:
Durch die Paritätsoperation
drehen sich alle polaren Vektoren
(hier nur pElektron)
um. Der axiale Vektor J bleibt unverändert.
Der Zähler müsste, wenn der Prozess der Elektronenemission invariant
gegenüber der Paritätsoperation ist, die gleiche Zählrate
liefern, wie bei 1..
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zu 3.:
In dem Experiment von Wu hat man aus experimentellen Gründen zum Vergleich
mit 1. nicht den 2.
Aufbau benutzt, sondern einfach die Kernspins J
entgegengesetzt ausgerichtet.
So konnte derselbe Zähler verwendet werden. Man beachte, dass 2.
und 3. zwar um 180° gedreht, prinzipiell
aber identisch sind. Das Ausrichten der Kernspins erfolgte durch ein starkes
Magnetfeld B, zum Umdrehen der Kernspins musste es nur umgedreht werden
(Bâ
bei 1.
und Bá
bei 3.;
die Kernspins richten sich entgegen dem äußeren Magnetfeld aus,
vergleiche die beiden Abb. o. und u.).
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Das
Ergebnis war für viele Physiker niederschmetternd. Die Zählrate
von 1. war deutlich höher als die von
3.. Die Polarisierung der 60Co-Kerne
erforderte, dass die 60Co-Probe
auf 0,01 K abgekühlt wurde. Da sie sich langsam "erwärmte", verlor
die Probe an Polarisierung, so dass sie nach wenigen Minuten unpolarisiert
war. Die relative Zählrate (Quotient aus Zählrate (polarisiert)
und Zählrate (unpolarisiert)) geht daher im Diagramm gegen den Wert
1 (siehe Abb. rechts).
Entscheidend ist,
dass die Zählraten im polarisierten Zustand (zu Beginn
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der Messung)
unterschiedlich waren. Das war ein schlagender Beweis für einen Prozess,
der nicht invariant gegenüber der Paritätsoperation ist. Man spricht daher von Paritätsverletzung
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Mittlerweile gibt es eine Reihe weiterer Beispiele für
die Paritätsverletzung bei schwachen Wechselwirkungen. Eines ist der
Zerfall des Müons:
m-
à
nm +
e- +
ne
Die Müonen werden
polarisiert und man untersucht,
in welche Richtung die Elektronen emittiert werden. Falls die Paritätsinvarianz
gilt, müssen in zwei entgegengesetzte Richtungen gleich
viele Elektronen emittiert werden.
Im Experiment zeigt
sich aber, dass die Elektronen bevorzugt entgegen
ihrer Spinrichtung emittiert werden.
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Die Leptonen besitzen
alle den Spin 1/2. Die Spins der Neutrinos sind entgegengesetzt ausgerichtet
(â
und
á),
sie heben sich also auf. Aufgrund der Spinerhaltung muss das emittierte
Elektron die gleiche Spinrichtung wie das Müon besitzen (hier beide
á).
In der Abb. links sind die beiden möglichen Szenarien dargestellt.
Die Paritätsoperation dreht wieder die
Flugrichtungen (polare Geschwindigkeits- vektoren)
um, lässt aber die Spins (axiale Vektoren der Eigendrehimpulse)
unverändert. Der 2. Zerfall, bei
dem die Elektronen- flugrichtung entgegengesetzt zum Spin ist, das Elektron
also linkshändig ist, wird
bevorzugt. Der 1.
Zerfall mit dem rechtshändigen
Elektron ist unterdrückt. Diese
Unsymmetrie zwischen rechts und links stellt die Paritätsverletzung
dar.
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(siehe dazu
und
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