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Leptonen im Standard-Modell - Wahrscheinlichkeit für Flavour-Änderungen 

Im Standardmodell haben alle Neutrinos die Masse null. Dies ist aber nicht zwingend notwendig, es ist lediglich die einfachste Annahme. Auch Neutrinomassen ungleich null können im Rahmen des Standardmodells untergebracht werden, wobei es verschiedene Möglichkeiten gibt. Falls die Neutrinomassen ungleich null sind, besteht die Möglichkeit, dass sich (auch im Vakuum) eine Neutrinosorte in die andere umwandelt und umgekehrt (z.B. ne à nm à ne). Dies geschieht mit einer bestimmten Umwandlungsrate, ausgedrückt durch den Mischungswinkel q. Man bezeichnet die Umwandlungen als Neutrino-Oszillationen. Aus der Beobachtung von Neutrino-Oszillationen könnte man folglich zwingend schließen, dass die Neutrinos massebehaftet sein müssen. 

Sollte es Neutrino-Oszillationen geben (gleichbedeutend sind Anti-Neutrino-Oszillationen), so wäre die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich ein Neutrino mit Flavour a im Abstand L von der Quelle in ein Neutrino mit Flavour b (z.B. nm à nt) verwandelt Paàb 
Die Wahrscheinlichkeit für eine Neutrino-Flavouränderung von a nach b

Die Wahrscheinlichkeit Paàb für eine Flavouränderung hängt ab ...  

... von der Differenz der Massenquadrate der beiden Neutrinos Dm2 = |ma2 - mb2 
... von der Energie des Neutrinos En   
... vom Abstand L von der Neutrino-Quelle bzw. dem Entstehungsort der Neutrinos   
... vom Neutrino-Mischungswinkel q (vgl. Cabibbo-Winkel) zur Seite über den Cabibbo-Winkel  

Der Faktor 1,27 ist so gewählt, dass die Teilchenphysiker ihre gewohnten Einheiten "GeV" zur Seite über Einheiten der Teilchenphysik für die Energie, "km" für die Länge und "(eV)2" für das Quadrat einer Masse verwenden können. 

So weit, so gut, aber wo soll man nun nach welchen Neutrinos suchen, wenn man nicht weiß, wie lange die Strecke ist, nach der sie ihren Flavour ändern? 
Entscheidend ist, dass der Abstand zwischen zwei Minima in der Wahrscheinlichkeit (nennen wir ihn "Oszillationslänge") proportional zu 1/Dm2 ist. Als Beispiel sei das KARMEN-Experiment, bei dem u.a. ein Myon-Antineutrinostrahl untersucht wird, angeführt. Die rechte Abbildung zeigt die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass sich in diesem Strahl durch Oszillation ein Elektron-Antineutrino befindet (P(ne), rote Kurve). Die blaue Kurve gibt an, wie sich zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit für die Müon-Antineutrinos verändert (P(nm)). Periodizität der Wahrscheinlichkeit für Neutrino-Oszillationen
Es gilt P(ne) + P(nm) = 1. Man erkennt, dass es Bereiche gibt, in denen die Wahrscheinlichkeit, ein ne zu finden, maximal wird. Der Maximalwert ist sin2(2q), hier etwa 0,3.  

Eine alltägliche Erfahrung ist, dass die Differenz zweier Massen in etwa die gleiche Größenordnung besitzt wie ihre absoluten Massen. So liegt z.B. die Differenz der Massen zweier Menschen im Durchschnitt sicher nicht im "mg"-Bereich, sondern beträgt meist einige "kg", liegt also in der gleichen Größenordung wie die absolute Masse von durchschnittlich ca. 70 kg. Es liegt nahe, auch aus der Differenz der Massenquadrate zweier Neutrinosorten auf die Größenordnung ihrer absoluten Masse zu schließen. Dieser Rückschluss kann aber nicht gezogen werden, da z.B. die Massen der Neutrinos extrem unterschiedlich sein könnten, man denke dabei nur an die Massenverhältnisse bei Leptonen (Verhältnisse bis zu 1:4000!). 

Die Proportionalität der Oszillationslänge zu 1/Dm2 hat daher zur Folge, dass "je kleiner die Differenz der Massenquadrate der Neutrinos ist, desto größer muss die Oszillationslänge sein". 

Das Prinzip jeder Suche nach Neutrino-Oszillationen ist es daher, theoretisch zu bestimmen, wie viele Neutrinos mit Flavour a an einer Stelle erzeugt werden (künstlich oder natürlich, z.B. in der Atmosphäre)  und zu zählen, wie viele dieser Neutrinos im Abstand L von dieser Quelle noch vorhanden sind. Detektoren zählen die Neutrinos über Teilchenreaktionen, die für ihren Flavour charakteristisch sind. Sind die beiden Zahlen unterschiedlich, so müssen Neutrinos während des Fluges (über die Länge L) ihren Flavour geändert haben. 

Es gab und gibt eine Vielzahl von Experimenten mit unterschiedlich langen Messstrecken, angefangen bei wenigen Metern über Strecken in der Größenordnung bis 1 km. Eine Reihe von Experimenten bis zu einer Länge von 730 km sind bereits geplant und genehmigt. Als Neutrino-Quellen dienen Reaktoren und Beschleuniger, in denen Neutrinos bei Teilchenreaktionen erzeugt werden. All diese Experimente konnten allerdings bisher keine fehlenden Neutrinos nachweisen. Allerdings konnten mit ihnen Obergrenzen für 1/Dm2 bestimmt werden. Für neue Messungen müssen wesentlich längere Messstrecken gewählt werden. 

Die längste auf der Erde realisierbare Neutrino-Flugstrecke ist der Erddurchmesser. Eine entsprechende Messapparatur, der Super-Kamiokande, wurde in Japan   errichtet und lieferte nach eineinhalbjähriger Messung Mitte 1998 ein erstaunliches Ergebnis. Mehr dazu auf der nächsten Seite. 


 
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