Die
Teilchen des Standard-Modells - Die historische
Entwicklung
Alle
neuen Begriffe, die wir auf dieser Seite verwenden, werden im Laufe des
Kapitels noch einmal ausführlicher |
erklärt.
Man muss sich daher keine Sorgen machen, wenn man sich nicht sofort alle
merken kann. |
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Die
Suche nach den elementaren Bausteinen der Materie ist so alt wie die Menschen
selbst. Die Vielzahl der dabei entdeckten Teilchen hatte natürlich
eine Vielzahl von Namen zur Folge. Um ein |
wenig
Struktur in die Namensvielfalt zu bringen, lohnt es sich, die folgende historische
Betrachtung der Entwicklung der Teilchenphysik zu lesen. (siehe ). |
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Bis
1932
Die
Untersuchungsmethoden der Teilchenphysiker wurden immer feiner, so dass
sich im Lauf der Geschichte immer wieder Teilchen, die für elementar
gehalten wurden, als zusammengesetzt herausstellten. So wurden Atome bis
zum Ende des 19. Jh. für elementar gehalten. Erst mit der Entdeckung
der "Kathodenstrahlen" 1876 und deren 3 Jahre später erfolgten,
richtigen Interpretation als Strom elektrisch geladener Partikel, wurde
deutlich, dass Atome aus Einzelbausteinen zusammengesetzt sind. Weitere
Hinweise auf die Substruktur von Atomen waren 1886 der Nachweis
von "Kanalstrahlen" als Strahl positiver Ionen und die Radioaktivität,
die Becquerel 1896 entdeckte. |
Durch Rutherfords
Streuexperiment im Jahre 1911 war bewiesen, dass Atome kleine
Kerne besitzen, die Rutherford selbst als kompaktes, mehrfach positiv geladenes
Teilchen beschrieb. Das Kern-Hülle-Modell war geboren.
1919
führten Rutherford und Chadwick die erste künstliche Kernumwandlung
durch und wiesen verschiedene Isotope nach. Damit war deutlich geworden,
dass auch der Atomkern eine Struktur besitzen musste (siehe Abb. rechts).
1932
entdeckte Chadwick das Neutron, nachdem Rutherford 1920 bereits
die Existenz eines weiteren Kernbausteins aufgrund von Experimenten zur
Bestimmung der Massenzahl angesprochen hatte. |
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Pion
(p) ¹
Müon (m)
!
1935
postulierte Yukawa das "Kernfeld" und die zugehörige "Kernkraft" (starke
Kraft), die die Kernbausteine zusammenhält. Als Vermittler der starken
Kraft benötigte er ein Teilchen, das er p-Meson
oder Pion (p)
nannte. Yukawa
berechnete für die Masse seines postulierten Austauschteilchens das
ca. 300-fache der Elektronenmasse von 0,5 MeV/c2 . Mit ca. 150
MeV/c2 lag das Teilchen zwischen
Elektronenmasse
und Protonen- bzw. Neutronenmasse (ca. 940 MeV/c2). Es wurde
daher als Meson
("mittelgewichtig")
bezeichnet. Das Elektron wurde aus denselben Gründen als Lepton
("leichtgewichtig") |
und Proton
und Neutron als Baryonen
("schwergewichtig")
bezeichnet.
1937
wurde in der Höhenstrahlung
ein scheinbar passendes Teilchen gefunden, das einfach negativ geladene
Müon
(m).
Lange Zeit hielt man das Müon für das von Yukawa postulierte
Pion, doch 1946 stellte sich heraus, dass die Müonen zu schwach
mit Kernen wechselwirken, so dass sie als Austauschteilchen der starken
Kraft nicht in Frage kommen. Das Problem wurde 1947 durch Powell
gelöst, der das Pion in Aufnahmen mit Fotoplatten von Teilchenspuren
der Höhenstrahlung in Höhenlagen von Bergen fand. |
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Neutrinos
(n)
1930
warf die Untersuchung des Beta-minus-Zerfalls, bei dem ein Elektron emittiert
wird, ein Problem auf. Aufgrund der Energieerhaltung hätte das emittierte
Elektron eine feste Energie besitzen müssen. Man stellte aber
eine bestimmte Energieverteilung emittierter Elektronen fest. Dieser Widerspruch
konnte durch die Einführung eines weiteren neutralen Teilchens durch
W. Pauli - das 1933 von E. Fermi Neutrino ("kleines neutrales
Teilchen") genannt wurde - aufgeklärt werden. Allerdings dauerte es
bis 1959, bis Cowan und |
Reines
den experimentellen Beweis für die Existenz von Neutrinos erbringen
konnten . In den späten 50er und
frühen 60er Jahren fand
man anhand der scheinbaren Verletzung der Erhaltung der Anzahl der Leptonen
bei einer Teilchenreaktion, dass es zwei Arten von Neutrinos gibt, das
Elektron-Neutrino und das Müon-Neutrino (später
kam ein drittes hinzu). Von 1962 bis 1976 zählte man demnach
nur 8 Teilchen zur Familie der Leptonen. Das Elektron, das Müon, ihre
beiden Neutrinos und die jeweiligen Antiteilchen. |
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Mesonen
und Baryonen - Der Teilchenzoo
Nach
der Entdeckung von Yukawas Pion fanden Rochester und Butler 1947 in
einer Nebelkammeraufnahme die Spuren eines positiv und eines negativ
geladenen Pions, die aus dem Zerfall eines neutralen Teilchens hervorgegangen
sein mussten. Dieses Teilchen nannte man Kaon (K0).
1949
fand Powell das positiv geladene Kaon (K+)
durch den Zerfall des K+
in zwei positive und ein negatives Pion in Kernreaktionen. Die Kaonen verhielten
sich wie schwere Pionen (p-Mesonen)
und wurden daher in die Familie der Mesonen aufgenommen, die im Laufe der
Zeit um weitere gefundene Teilchen erweitert wurde (w-,
h-,
r-,
f- ,... Mesonen).
1950
fand Anderson am California Technology Institute eine ähnliche Spur
wie bei der Entdeckung des K0,
jedoch entstand nun ein negatives Pion und ein |
Proton.
Das Teilchen, das in Pion und Proton zerfallen ist, musste also wesentlich
schwerer gewesen sein als das Proton. Es wurde daher zur Baryonen-Familie
gezählt und Lambda (L)
genannt. In den nächsten Jahren wurden weitere schwere Teilchen gefunden,
die allesamt den Baryonen zugeordnet wurden
(S-,
X-
, D-
,... Baryonen).
1952
wurde in Brookhaven (USA) der erste moderne Teilchenbeschleuniger in Betrieb
genommen, so dass man ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf die Höhenstrahlung
als einzige Teilchen-Quelle angewiesen war, sondern Teilchen " künstlich
im Labor" erzeugen konnte, was die Zahl neuentdeckter Mesonen und Baryonen,
zusammen als Hadronen
(Teilchen, die stark wechselwirken) bezeichnet, in die Höhe trieb. |
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Viele
der gefundenen Baryonen hatten eine "seltsame" Eigenschaft. Sie konnten
leicht erzeugt werden (in der sehr kurzen Zeit von 10-23s),
zerfielen aber relativ langsam (in relativ "langen" 10-10s). |
Diese "Seltsamkeit" (engl.
Strangeness) beruht darauf - wie wir heute wissen -, dass
für ihre Produktion die starke, für ihren Zerfall aber die schwache
Wechselwirkung verantwortlich ist. |
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Nach
der Euphorie über die Entdeckungen neuer Teilchen in den 30er bis
50er Jahren folgte nun die Ernüchterung, einem regelrechten "Teilchenzoo"
gegenüberzustehen, dessen Zusammensetzung mit steigender Komplexität
immer undurchsichtiger |
wurde.
Ähnlich wie in der Chemie ein Periodensystem Ordnung in die Vielfalt
der Elemente brachte, musste man nun ein System bzw. Modell entwickeln,
dass die Elementarteilchen in ähnlich eleganter Weise einordnet. |
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Der
Achtfache Weg
Murray
Gell-Mann führte 1961 als Lösung des Problems den soganannten
"Achtfachen Weg" ein. In diesem Modell wurden Mesonen und Baryonen aufgrund
bestimmter Quantenzahlen (elektr. Ladung Q, Leptonenzahl L, Seltsamkeit
oder Strangeness S) unterschieden und in regelmäßige geometrische
Figuren wie z.B. 6-Ecke eingetragen (siehe Abb. rechts und späteres
Kapitel). Im Prinzip kann man sich diese Einordnung als ein Koordinatensystem
z.B. mit den Achsen "elektr. Ladung Q" und "Strangeness S" vorstellen.
Das Baryon (S+)
mit den Eigenschaften S = -1 und Q = +1 wird an der "Ecke" mit S = -1 und
Q = +1 eingetragen. Die Abb. rechts zeigt das sogenannte Baryonen-Oktett
("Anordnung aus 8 Baryonen") der acht |
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leichtesten Baryonen (der Name "Achtfacher Weg" wurde in Anlehnung an den eightfold path von Buddha gewählt). Allgemein spricht man bei
diesen Anordnungen von Multipletts (z.B. Oktett (8) und Dekuplett
(10)). |
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In einem Baryon-Dekuplett, von dem 9 der 10 Baryonen experimentell
nachgewiesen waren, fehlte Gell-Mann zunächst das letzte Teilchen
mit Strangeness S = -3, dessen Masse er berechnen konnte. Aufgrund dieser
Voraussagen wurde 1964 tatsächlich das W-
(Omega-minus) genannte
Teilchen entdeckt. Danach zweifelte niemand |
mehr
ernsthaft an der Richtigkeit des Achtfachen Weges und es konnten damit
alle Mesonen und Baryonen (und deren Antiteilchen!) geordnet werden. Der
Achtfache Weg war damit das entscheidende Modell, dass die Ära des
heutigen Standard-Modells der Teilchenphysik einläutete. |
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Quarks
Die
bestechende Ordnung, die der Achtfache Weg bei den Hadronen geschaffen hatte,
forderte natürlich die Frage nach der Ursache dieser Ordnung heraus.
Die Ordnung der Elemente des Periodensystems wird durch die Anzahl der
Protonen des Atomkerns bestimmt. Was liegt der Ordnung der Hadronen zugrunde?
Die Antwort darauf gab 1964 wieder M. Gell-Mann (und unabhängig
davon Zweig), indem er noch kleinere, elementare Bausteine - die Quarks
- einführte.
Die
Quarks kamen bei Gell-Mann in 3 Arten (sog. "Geschmacksrichtungen", engl.
"Flavours")
vor. Es gab das up-, das down- und das strange-Quark. Diese 3 Quarks (und
3 Antiquarks) ; |
genügten
zur Erklärung der Zusammensetzungen der damals entdeckten Hadronen.
Im
Quarkmodell sind Baryonen Kombinationen aus drei Quarks (Antibaryonen
aus drei Antiquarks).
So ist z.B. das Proton eine Kombination aus zwei up- und einem down-Quark
(uud; siehe Abb. rechts).
Mesonen
sind Kombinationen aus einem Quark und einem Antiquark. Da das Antiteilchen
eines Antiquarks ein Quark ist, sind auch Antimesonen Kombinationen aus
einem Quark und einem Antiquark. Das Pion (p+)
ist
z.B. eine Kombination aus einem up-Quark und einem down-Antiquark (ud;
siehe Abb. rechts). |
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Ein
Wermutstropfen des ansonsten sehr erfolgreichen Quarkmodells war, dass
man Quarks (bis heute) noch nicht einzeln, sondern nur "eingeschlossen"
in Mesonen oder Baryonen beobachten konnte. Man bezeichnete diese - heute
als gesichert geltende - Eigenschaft als Quarkeinschluss
(engl. confinement).
Trotz
des Quarkeinschlusses konnte man durch den Beschuss von Protonen mit hochenergetischen
Elektronen (sog. "tiefinelastische Streuung") Ende der 60er Jahre und mit
Protonen in den 70ern die Substruktur der Protonen |
experimentell
nachweisen (siehe dazu auch den Abschnitt "Streuexperimente" ). Noch sträubten
sich aber die meisten Physiker (bis 1974), diese "inneren Teilchen"
- Partonen genannt - mit den Quarks gleichzusetzen, denn noch immer
war der Quarkeinschluss ein ungelöstes Problem. Außerdem schien
das Pauli-Verbot durch die Quarks
verletzt zu sein, obwohl dafür die sog. Farbe
- eine zusätzliche Eigenschaft der Quarks, die sie unterscheidbar
macht - vorgeschlagen wurde. |
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Das
vierte Quark und danach
Im
November
1974 hatten die Zweifel allerdings ein Ende, als ein extrem schweres
Teilchen (mehr als 3-fache Protonenmasse!) von zwei Gruppen gefunden wurde
(die einen nannten es J, die anderen Y).
Das schließlich J/Y
getaufte Teilchen wurde nach Monaten der Diskussion als Meson aus einem
vierten Quark (charm-Quark) und seinem Antiquark allgemein anerkannt.
Die reizvolle ("Charme besitzende") Parallele, dass es zu den bekannten
4 Leptonen auch 4 Quarks gibt, was schon Jahre zuvor von Bjorken und Glashow
vorgeschlagen wurde, bestärkte diese Hypothese. Weitere charm-Quarks
enthaltende Mesonen und auch Baryonen wurden 1975 und in den darauffolgenden
Jahren gefunden (z.B. D0
= cu oder Lc+
= udc), so dass die Interpretation des J/Y
und damit auch das Quarkmodell als gesichert galt.
Die
reizvolle Parallele von 4 Leptonen und 4 Quarks wurde allerdings 1975
wieder
gestört, als ein fünftes Lepton - das Tauon (t)
- entdeckt wurde. Sein |
zugehöriges
Neutrino (nt)
gilt als gesichert, so dass es nun 6 Leptonen gab, aber nur 4 Quarks.
Aber
auch dieser Zustand dauerte nur 2 Jahre, denn 1977 wurde das Ypsilon-Meson
entdeckt, das korrekterweise als Meson aus einem 5. Quark und seinem Antiquark
interpretiert wurde. Man nannte das 5. Quark bottom- oder beauty-Quark.
Das erste, ein einzelnes bottom-Quark enthaltende Baryon (Lb
=
udb) wurde 1981 gefunden, das erste Meson
1983 (B0
= bd).
Klar,
dass die reizvolle Idee gleicher Anzahl von Leptonen und Quarks ein sechstes
Quark forderte. Bis zur Entdeckung dieses 6. und letzten Quarks (top-
oder truth-Quark) im Jahr 1995 am Fermilab (Tevatron) bei Chicago
sollte es aber noch einmal sehr lange dauern. Dies lag an der extrem hohen
Masse des top-Quarks, für dessen Erzeugung erst die entsprechende
Beschleuniger-Technologie entwickelt und gebaut werden musste. |
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Damit
sind wir beim aktuellen Stand der Elementarteilchenphysik - dem Standard-Modell
- angekommen. Die Teilchen, die uns dazu noch fehlen sind |
die
Austauschteilchen der vier Wechselwirkungen. Wir werden sie an späterer
Stelle in diesem Kapitel besprechen. |
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