Zur Titelseite des Programms Zur Gesamtübersicht aller Seiten Zum Lexikon Diese Seite gehört zum Schwierigkeitsgrad 2 zum Ende der Seite Zurück in der Reihenfolge der aufgerufenen Seiten zur nächsten Seite des Kapitels
Streuexperimente - Der Formfaktor  
 
Der Mott-Wirkungsquerschnitt beschreibt die Streuung der Elektronen immer noch unter der (natürlich falschen) Voraussetzung, dass es sich um punktförmige Targets handelt. Wenn man für eine bekannte Situation (Elektron auf Target) den Mott-Wirkungsquerschnitt berechnet und ihn mit dem experimentellen Wirkungsquerschnitt vergleicht, stellt man Unterschiede fest. Die Unterschiede zwischen Experiment und Mott-Theorie hängen offensichtlich vom Impulsübertrag |q|, den das Elektron an das Target abgibt, ab. Für hohe Impulsüberträge |q| an ausgedehnte Targets wie Atomkerne oder Nukleonen ist der experimentelle Wirkungsquerschnitt kleiner. Die Wellenlänge des Photons, das für den Impulsübertrag sorgt, wird mit steigendem |q| kleiner und das Auflösungsvermögen entsprechend größer. Das Elektron "sieht schärfer" und daher die Ladung des Kerns nicht mehr als ein Ganzes, sondern einzelne, kleinere Ladungen in verschiedenen Abständen zu ihm. Der Wirkungs- querschnitt wird - der scheinbar kleineren Targetladung entsprechend - kleiner.

Welche Aussagen über die Targetform kann man aus diesen Unterschieden erhalten? 
Die Antwort auf diese Frage ist einfach, sie bedarf lediglich einer kurzen Vorbemerkung. 
 

Die "Form" eines Targets, die ein anfliegendes Elektron "sieht", wird durch die Verteilung seiner elektrischen Ladung bestimmt. Diese Ladungsverteilung des Targets wird durch eine Ladungs- Verteilungsfunktion r ausgedrückt (anschaulich: r drückt die "Ladung Z.e  

pro Volumen V" in Abhängigkeit vom Ort x aus; x ist hier der Ortsvektor). Der Einfachheit halber benutzt man anstelle von
r die normierte Verteilungs- funktion f mit r(x) = Z.e . f(x). Als einfaches Beispiel einer normierten, radialsymmetrischen Verteilungsfunktion betrachten wir eine Kugel mit homogener Ladungsdichte. f ist innerhalb der Kugel gleich einer Konstante ungleich null und außerhalb gleich null. R ist der Radius der Kugel. 
Ladungsverteilungsfunktion einer homogenen Kugel mit Radius R 

Das Entscheidende ist nun, dass sich die Streuung eines Elektrons an einem ausgedehnten geladenen Target quantenmechanisch durch die Streuung einer ebenen Welle an einer ausgedehnten Ladungsverteilung beschreiben lässt. Hierbei taucht ein Faktor auf, der sich für die Beschreibung der "Form" des Targets eignet. Man nennt ihn daher auch Formfaktor F. Er hängt vom Impulsübertrag q ab: F(q). Seine genauere quantenmechanische Bedeutung würde an dieser Stelle zu weit führen. Wir beschränken uns auf folgende Sichtweise: Der Formfaktor F(q) beschreibt die "Form" eines ausgedehnten Targets. Er hängt vom Impulsübertrag q und der Ladungsverteilung f des Targets ab.
Da es bei radialsymmetrischen Systemen keine Unterschiede zwischen verschiedenen Richtungen gibt, hängt der Formfaktor F nur vom Betrag von q, also |q| ab. Da q ein Vektor ist, ist sein Betrag gleich der Wurzel aus q2. Um auszudrücken, dass ein Formfaktor nur vom Betrag von q abhängt schreibt man üblicherweise F(q2) anstelle von F(q).

Die Antwort auf die Frage, wie man aus den experimentell festgestellten Unterschieden zwischen Mott`schem und experimentellem Wirkungs- querschnitt (Exp) eine Aussage über die Targetform erhält, ist nun leicht zu geben, denn für das Betragsquadrat des Formfaktors gilt: 
 
 
|F(q2)|2 ist also im Prinzip ein "Korrekturfaktor" für den Mottschen Wirkungsquerschnitt, der eine audgedehnte Ladungsverteilung beschreibt. 
In der Praxis bestimmt man den experimentellen Wirkungsquerschnitt und teilt ihn durch den Mott`schen. Man erhält daraus den Betrag des Formfaktors und entsprechende Informationen über die Ladungsverteilung des Targets. 

Die hier beschriebenen Untersuchungen gelten nur für elastische Streuung und solange
Z.
a << 1 erfüllt ist (also z.B. für nicht zu große Kernladungszahlen Z). Mit ihnen lassen sich beispielsweise die Radien von Atomkernen bestimmen.
 
Die Formfaktoren von Nukleonen sind
schwieriger zu bestimmen, da hier noch zusätzlich die Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment des Nukleons und dem "Strom", den das sich bewegende Elektron darstellt, berücksichtigt werden muss.
(siehe dazu auch zum Literaturverzeichnis; [POV 1994, S. 60 ff] und zum Literaturverzeichnis; [FRA 1987, S. 140 ff])
 

Auf der letzten Seite dieses Kapitels betrachten wir in einer Übersicht wichtige Beispiele von Formfaktoren und ihren zugehörigen Ladungsverteilungen. 
 
zum Anfang der Seite Zurück in der Reihenfolge der aufgerufenen Seiten zur nächsten Seite des Kapitels