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Die schwache Wechselwirkung - Neutrale schwache Prozesse (Z0) 

Viele Teilchenreaktionen, wie z.B.
e
- + e+
à m- + m+, können sowohl durch ein g-Quant (elektromagnetischer Prozess) als auch durch ein Z0 (schwacher neutraler Strom) vermittelt werden (vgl. die beiden rechts abgebildeten Feynman-Diagramme). Hierbei wird der Beitrag des Z0 zum Gesamtprozess durch den elektromagnetischen Prozess überdeckt. So konnte erst 1973 ein neutraler schwacher Prozess experimentell nachgewiesen werden.
gamma-Austausch (QED)





Z-Null-Austausch (schwacher neutraler Strom)

Andersherum betrachtet stellt man fest, dass jeder elektromagnetische Prozess durch einen kleinen Beitrag der neutralen schwachen Wechselwirkung verändert wird.
Ein interessantes Beispiel ist das Coulomb-Potential, das die Elektronen eines Atoms an den Kern bindet. Diese Bindung und das sich daraus ergebende Energie-Spektrum der Elektronen
(Termschema) werden durch die neutrale schwache Wechselwirkung geringfügig, aber - betrachtet man sie ganz genau - messbar verändert. Obwohl diese und andere Effekte sehr klein sind, verraten sie sich durch eine spezielle Eigenschaft der schwachen Wechselwirkung, die sogenannte Paritätsverletzung zur Seite über die Paritätsverletzung.

Die ersten Vermutungen dazu stammten von Zel`dovich (1959).
Erst als 1974 von Bouchiat und Bouchiat gezeigt wurde, dass die Effekte der neutralen Ströme mit steigender Kernladungszahl Z stark zunehmen (d.h. bei schweren Atomen wesentlich besser zu finden sind), erhielten entsprechende
Experimente großen Auftrieb. Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre konnten zum ersten Mal paritätsverletzende Effekte in schweren Atomen gemessen werden.
(siehe dazu auch zum Literaturverzeichnis; [FOR 1980, S. 319 ff.])   

Ein weiteres Beispiel für den Nachweis eines Beitrags eines neutralen Stroms zu einem in erster Linie elektromagnetischen Prozess ist der schon oben angesprochene hochenergetische Annihilationsprozess
e
- + e+
à m- +m+. Er wurde bei verschiedenen Messungen am PETRA-Ring (DESY) untersucht.
Dabei wurde der differenzielle Wirkungsquerschnitt in Abhängigkeit vom Streuwinkel (bzw. dessen Kosinuswert cosq) gemessen. Die Schwerpunktsenergie betrug 34,5 GeV. Die experimentellen Daten wurden mit zwei theoretischen Vorhersagen verglichen (siehe Abbildung unten).  

1. Die reine QED-Vorhersage: Erwarteter Wirkungsquerschnitt, wenn es nur den elektromagnetischen Beitrag des g-Austauschs gäbe (QED)  
2. QED und schwacher neutraler Strom: Der Prozess wird sowohl durch das g als auch über den neutralen Strom des Z0 vermittelt (QED und Schwach).  
Man erkennt an der rechten Abbildung, dass die Messpunkte verschiedener Experimente (JADE, MARK-J, PLUTO, TASSO) für die Vorhersage "QED und Schwach" sprechen. Damit wurden ein weiteres Mal neutrale Ströme nachgewiesen.
(siehe dazu auch zum Literaturverzeichnis; [WU 1984, S. 229] und zum Literaturverzeichnis; [LOH 1992, S. 223])  
die Messpunkte bestätigen die Vorhersage 'QED und Schwach'




Grafik aus: zum Literaturverzeichnis; [LOH 1992, S. 223]

1. Leptonische Prozesse 

Bei allen schwachen Prozessen können Leptonen ihren Flavour nur innerhalb ihrer Generation wechseln. (Ausnahme: "Neutrino-Oszillationen" zur Seite über Neutrino-Oszillationen)
Das heißt, dass ein Lepton l nur die Möglichkeiten hat, zu seinem zugehörigen Neutrino nl und umgekehrt zu werden oder bei Streuprozessen erhalten zu bleiben. Beispiele hierfür sind
Neutrino-Elektron-Streuung: 
nm + e- à nm+ e- 
Elektron-Elektron-Streuung
e- + e- à e- + e- 
Dieser Prozess findet allerdings vor allem elektromagnetisch durch Austausch eines Photons statt, so dass die schwache neutrale Reaktion völlig überdeckt wird. Theoretisch müsste sie zu einer winzigen Korrektur des Coulomb-Gesetzes führen.

2. Semileptonische Prozesse  
Bei semileptonischen Prozessen sind auch Quarks beteiligt. Da das Z0 keine Ladung übertragen kann, muss die elektrische Quarkladung (und damit das Quark selbst) bei neutralen Prozessen erhalten bleiben. Es finden daher nur Streuprozesse statt, bei denen alle
Partner erhalten bleiben. Ein Beispiel hierfür ist:

Ein Neutrinostreuprozess wie
nm + u+2/3 à nm+ u+2/3   (im Quark-Bild) 
bzw. nm + p à nm + p (im Hadronen-Bild; p = uud)

Eine rein hadronische neutrale Reaktion, also z.B. der Z0-Austausch zwischen Quarks, wird durch die unverhältnismäßig "starken" Prozesse der starken Wechselwirkung fast völlig überdeckt.
So weit so gut. Wir haben nun einige Beispiele schwacher Prozesse kennengelernt. Dabei hat sich gezeigt, dass Leptonen ihren Flavour nur innerhalb ihrer Generation ändern können. Hingegen haben wir es als selbstverständlich angesehen, dass es Quarks offensichtlich erlaubt ist, ihren Flavour "generationsübergreifend" zu ändern. So wird beim L0-Zerfall ein s-Quark (2. Generation) zu einem u-Quark (1. Generation):  
L0 à p + p-     
oder im Quarkmodell: 
s-1/3 (+ u+2/3 + d-1/3) à u+2/3 + u-2/3 + d-1/3 (+ u+2/3 + d-1/3)             
Feynman-Diagramm des Lambda-Null-Zerfalls
(Zuschauerquarks in Klammern).  Gerade dieses "strange" Verhalten in manchen Prozessen hat M. Gell-Mann dazu gebracht, die Strangeness bzw. Seltsamkeit einzuführen. Auf den nächsten Seiten lernen wir ein Modell zur Erklärung dieser sonderbaren Eigenschaft der schwachen Wechselwirkung kennen.  

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